Schutzumschlag von Felix Riesenberg, Cape Horn

Cape Horn
von Felix Riesenberg

Das Buch "Cape Horn" von Felix Riesenberg ist im englischen Sprachraum ein Klassiker der maritimen Literatur. Sein Autor (1879 - 1939) ist selbst ein ausgewiesener Seefahrer. Er absolvierte die New York Nautical School und war später Kapitän mehrer Schiffe. Riesenberg hat das Kap sowohl unter Segeln als auch unter Dampf mehrfach gerundet, was seinen Schilderungen die Unmittelbarkeit gibt, die den Band so lesenswert macht. Sein maritimer Sachverstand hebt das Buch auf ein Niveau, das vergleichbare, von Landratten geschriebene Bücher nicht erreichen können. Neben seinem nautischen Sachverstand verfügt der Autor aber ebenso über die Kunst, die Materie mitreißend und spannend an den Leser zu bringen, so daß es oft schwer fällt, das Buch wieder aus der Hand zu legen. Allerdings, das soll nicht verschwiegen werden, gibt es an einigen Stellen auch Längen. Sie finden sich immer dort, wo der Historiker über den Erzähler siegt und der Vollständigkeit halber viele, viele Reisen aufgezählt werden, die wenig zum Gesamtbild hinzufügen, für den Leser aber ermüdend sind. Dem Buch sind neben vielen Abbildungen auch sechs für das Verständnis des Geschriebenen sehr hilfreiche Karten der Magellanstraße und der Kap-Hoorn-Region beigegeben. Wichtig auch das ausführliche Register.

Die Beschreibung spannt den Bogen von der Entdeckungsreise Magellans bis zum im ersten Weltkrieg stattgefundenen Seegefecht bei den Falklands, in dessen Folge die deutschen Schiffe Scharnhorst, Gneisenau und Leipzig sanken. Einen breiten Raum nimmt die Entdeckungsgeschichte ein. In eigenen Kapiteln werden die Reisen von Magellan, Drake und Schouten beschrieben.

Beeindruckend die Schilderung des Kampfes von Magellan mit der später nach ihm benannten Straße. Insgesamt fünf Wochen benötigte er, um diese nur gut 300 Meilen lange Passage gegen westliche Winde und hemmenden Strom zu durchsegeln. Zusätzlich zu der packenden Schilderung der Strapazen und der Schwierigkeiten mit meuternden Offizieren und Mannschaften versteht es Riesenberg, ein kontrastreiches Bild von dem überaus starken Charakter Magellan zu zeichnen.

Das Kapitel über Drake beschäftigt sich ausführlich mit der Frage, ob Drake, wie von manchem behauptet, der eigentliche Entdecker des Kaps ist. Drake hatte bei einem weiten Vorstoß in den südlichen Pazifik hinein eine Insel entdeckt, die er Elisabeth Island nannte. Diese Insel ließ sich später trotz intensiver Suche nicht wiederfinden. Das führte zu einigen Theorien über die tatsächliche Identität des von Drake gefundenen Landes, eine davon sieht Kap Hoorn als das sagenhafte Elisabeth Island. Riesenberg entwickelt seine eigene Hypothese: Elisabeth Island sei durch vulkanische Aktivitäten unter den Meeresspiegel gesunken und mit der Pactolus Bank (Burnham Bank) identisch. Hier scheint der sonst so kompetente Kapitän allerdings zu irren, denn das amerikanische Forschungsschiff Wyandot fand 1956 keinen Hinweis auf die nicht sonderlich gut belegte Untiefe. Damit bleibt das Rätsel um das von Drake betretene Land weiter offen.

Das Kapitel über Schouten und Le Maire vermittelt einen Eindruck über die politischen Gegebenheiten jener Zeit, die Antrieb vieler Entdeckungsfahrten waren. In diesem Fall ist es das Monopol der Niederländischen Ostindien Kompanie (VOC) für die Durchfahrt der Magellan-Straße und die Umsegelung des Kaps der Guten Hoffnung, welches der alte Isaac Le Maire mit seiner Australischen Compagnie gerne brechen wollte. Schouten sollte zusammen mit dem Sohn des alten Le Maire, Jacob, einen möglichen südlichen Weg um Amerika herum finden. Dies gelang, der südlichste Zipfel ist heute nach dem Geburtsort von Schouten (Hoorn, gleichzeitig Name eines der beiden Expeditionsschiffe) benannt. Nach der erfolgreichen Durchquerung des Pazifiks sorgte allerdings die (Handels-)Politik statt für die gebotene Anerkennung für die Verhaftung von Schouten und Le Maire wegen angeblicher Verletzung des Monopols der VOC. Die Entdeckung des neuen Seeweges um das Horn wurde Schouten und Le Maire nicht geglaubt.

Gleich drei Kapitel sind der HMS Beagle unter Stokes und FitzRoy und ihrer Entdeckungsfahrten im Auftrage der Admiralität nach Patagonien gewidmet. Neben dem detaillierten Bericht über die Reisen des Schiffes wird die vielen sicher bekannte Geschichte um die vier jungen Feuerländer erzählt, die von FitzRoy nach England gebracht und später wieder in ihre Heimat zurückgeführt wurden. Insbesondere an dem weiteren Lebensweg von Jemmy Button und Fuegia Basket, die FitzRoy beide besonders am Herzen lagen, entzünden sich selbstverständlich viele und immer wieder heiß diskutierte Fragen über die Begegnung einander fremder Kulturen, die auch in diesem Buche zumindest untergründig Raum finden. Die Beschreibung der ersten Fahrt von Europäern durch den später nach der Beagle so benannten Kanal erfolgt durch die Brille des jungen Darwin; sie wird besonders bewegend sein für denjenigen, der das Gewässer aus eigener Anschauung kennt. Die Teilnahme des damals blutjungen Darwins an der zweiten Beagle-Expedition war bekanntlich von grundlegender Bedeutung für seine spätere wissenschaftliche Arbeit.

Der großartige Höhepunkt der kommerziellen Segelschiffahrt und zugleich deren Ende, die Windjammerzeit, wird nur in einem einzigen Kapitel recht kurz und unter einem stark amerikanischen Blickwinkel abgehandelt. Dies ist jedoch kein wirkliches Manko, da es über diese Epoche der Seefahrt ungezählte andere Bücher gibt. In dem Abschnitt über die Kap-Hoorn-Rundungen der Jahrhundertwende fließen eigene Erlebnisse des Autors ein, der einige der Protagonisten der ausklingenden Ära der Segelschiffahrt noch persönlich gekannt hat. Sehr beeindruckend in diesem Kapitel der Bericht über die Hochzeitsreise von Kapitän Nichols, der zusammen mit seiner frisch angetrauten Ehefrau in der Kap-Hoorn-Region schiffbrüchig wurde und dann, kaum von einem anderen Schiffen gerettet, mit diesem zusammen fast erneut Schiffbruch erlebte. Was muß die junge, frisch gebackene Ehefrau durchlitten haben! Auch die abgedruckten Passagen des Logbuchs der Edward Sewall unter Kapitän Quick über den 67 Tage währenden Kampf mit dem Horn werfen in ihrem Lakonismus ein eindrucksvolles Licht auf die Hochzeit der Segelschiffahrt (Got my hand jammed today and lost two more fingers. Makes three this trip).

Der vorliegende Band enthält sicher auch einige kleine historische Ungenauigkeiten, die wohl eher dem Seemannsgarn zuzurechnen sind. Sie werden jedoch mehr als wett gemacht durch die lebendige Schilderung der Seefahrt der vergangenen Jahrhunderte. Bei der Lektüre wird einem klar, welche Strapazen, Hunger und Not die Seefahrer vergangener Zeiten durchlitten haben … und, was wir heute doch für ein komfortables Segeln betreiben.

Das besprochene Buch ist dem Rezensenten auf einem Segeltörn um Kap Hoorn auf der Sarah W. Vorwerk in der Bordbibliothek begegnet. Das schafft natürlich eine besonderen persönliche Nähe zu dem Thema. Aber selbst ohne diesen Bezug ist das Werk für alle an der Seefahrt und ihrer Geschichte Interessierten eine sehr empfehlenswerte Lektüre.

Ursprünglich 1939 aufgelegt, ist das Buch jetzt (noch) in einer neueren Auflage von 1994 (Ox Bow Press) erhältlich. Dieses Standardwerk über Kap Hoorn und die Seefahrt um die Südspitze Amerikas hätte endlich auch eine deutsche Übersetzung verdient!

Buchdetails

Titel:
Cape Horn
Autor:
Felix Riesenberg
Seiten:
452
Sprache:
Englisch
Verlag:
Ox Bow Press, Woodbridge (Connecticut), 1994
ISBN:
978-1-881987-04-8