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25. Januar 2010 - Deception Island, Bransfield Strait

Heute ist Anbaden in der Antarktis geplant. Das Grundwasser ist durch die nach wie vor bestehende vulkanische Aktivität stark erhitzt; bei Ebbe dampft deshalb der freifallende Strand, ein schwefliger Geruch liegt in der Luft. Und das ist die Zeit des Bades. Man gräbt einfache ein Loch in den Strand und badet in dem sich dort sammelnden heißen Grundwasser. Soweit die Theorie, die Praxis sieht anders aus. Zunächst ist das Wasser so heiß, daß schon beim Graben des Loches die Hitze durch die Stiefel hindurch eigentlich unerträglich ist. Das heiße Wasser muß also für annehmbare Temperaturen mit kaltem Seewasser gemischt werden. Ein Kanal wird gegraben. Leider liegt der Seewasserspiegel unter dem Wasserspiegel in unserer Badewanne. Das Wasser wird zwar gemischt, aber anschließend ist unser Badeloch fast leer. Ein Bad ist eigentlich nicht mehr möglich, nur symbolisch wird man vom verbleibenden Wasser benetzt. Da ich nun aber schon einmal in Badehose bin und die Möglichkeit so schnell nicht wieder kommt, tauche ich kurz in das zweieinhalb Grad warme, oder besser: kalte, arktische Seewasser von Port Foster ein.

Gegen Mittag laufen wir aus Port Foster aus. An der Steuerbordseite der Ausfahrt liegt das Wrack der Southern Hunter, einem britischen Walfänger der ehrwürdigen Firma Christian Salvesen & Co., Leith, der hier in einem nicht genau zu klärendem Vorfall mit einem argentinischen Marineschiff am Sylvestertag 1957 strandete.

Noch einmal bewundere ich die rostbraune und schwarze Färbung der Außenseite des Kraters. Vorbei geht es an den ersten Eisbergen. Im Norden im Dunst die schneebedeckten Berggipfel von Livingston Island. Bei teilweise strahlendem Sonnenschein queren wir die Bransfieldstraße. Achteraus glitzert der Schnee auf Deception Island in der Sonne, weit an Steuerbord sieht man Low Island. Hier endete im Januar 1913 auf dem Wege nach Deception Island das Leben des stolzen P-Liners Pisagua, der nach Norwegen verkauft unter dem Namen Ørnen als Fabrik- und Versorgungsschiff im Walfang zum Einsatz kommen sollte.

An Backbord ist in der Ferne die antarktische Halbinsel - Festland - zu sehen. Gegen 18:00 Uhr kommen wir an den Austin Rocks vorbei, einzelne spitze und zackige Felsen mitten in der Bransfieldstraße. Die Eisberge werden größer. Nun bekommt die Eiswache ihren Sinn. Ich bin ab 23:00 Uhr an der Reihe. Mittlerweile sind wir tief in die antarktische Insellandschaft eingetaucht. In der Dämmerung ragen die schnee- und eisbedeckten Felsen und Bergrücken gewaltig in die Höhe. Eine grandiose Landschaft! Aber bei deren Anblick versteht man, was lebensfeindlich bedeutet. Der einzig mögliche Zugang für uns ist das Wasser und die einzige Überlebensmöglichkeit für uns ist das Schiff, unsere Überlebenszelle. Lebensfeindlich - aber nur für uns Menschen. Die hier lebende Tierwelt fühlt sich pudelwohl.

Zwischendurch segeln wir bei 5 Windstärken hoch am Wind siebeneinhalb Knoten. Das macht Freude. Aber dann schläft gegen Ende der Eiswache der Wind wieder ein und der Motor springt erneut an.

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26. Januar 2010 - Enterprise Island

In dieser Nacht friere ich das erste Mal in meinem Mumienschlafsack ein wenig, das erste Mal schließe ich ihn vollständig und benutze den „Mumienkopf“.

Gegen 6:00 Uhr wache ich durch neue Geräusche auf. Durch das Bullauge über meiner Koje sehe ich Henk gerade auf ein Wrack übersteigen und uns dort festmachen. Es ist die Guvernøren, ein ursprünglich als Frachtschiff in England gebautes und später zum Fabrikschiff im Walfang umgebautes Schiff von stolzen 5459 BRT, das am 17. Januar 1915 in der Nähe in Brand geriet und hier auf Grund gesetzt wurde, um Mannschaft und Material zu retten. Auf einem zeitgenössischen Photo ist das brennende Schiff zu sehen, ein riesiges Schiff von 130 m Länge, von denen heute aber nur noch etwa 30 m bei Ebbe aus dem Wasser schauen.

Wir sind in Guvernøren Harbour auf Enterprise Island angekommen. Nun sind wir in den richtigen antarktischen Gefilden, weit jenseits von 64° südlicher Breite. Höchstens im Gezeitenbereich ist das Land nicht mit Schnee und Eis bedeckt. Nachmittags fahren wir mit dem Schlauchboot zu einer kleinen Insel, deren Gipfel wir tief in den Schnee einsinkend besteigen. Vor unseren Augen breitet sich die nördliche Hälfte der Wilhelmina Bay aus, unbewegtes Wasser, unterbrochen und eingegrenzt von Inseln und dem antarktischen Festland, Felsen und Eis. Über allen eine niedrig hängende Wolkendecke, unter der das etwas entfernte Festland indessen sonnenbestrahlt leuchtet.

Am Fuße unseres gerade bestiegenen Gipfels liegen noch die Überreste von hölzernen Wasserbooten aus der Walfängerzeit vom Anfang des Jahrhunderts. Mit diesen Booten ist man zu den Gletschern gefahren und hat sich dort mit Frischwasser versorgt. Auch in der Nähe unseres Liegeplatzes an der Guvernøren sieht man noch die Festmacher für die Wasserboote.

Auf der Rückfahrt von der kleinen Insel umkurven wir mit unserem Schlauchboot einen kleinen Eisberg. Der im Wasser befindliche Teil des Eisberges gibt dem umgebenden Wasser jenen unvergleichlichen Türkiston, den ich in dieser Art nur in der Antarktis erlebt habe.

Während wir unterwegs waren, haben Rolf und Harald ihre ersten Tauchgänge in den antarktischen Gewässern unternommen. Dabei haben sie einen besonderen Fund mit an die Meeresoberfläche gebracht: eine echte Granate von einer Walharpune, wie man sie sonst nur im Museum oder in Büchern besichtigen kann.

Abends grillen wir auf dem Achterschiff der Sarah. Ein sommerlicher Grillabend im heimischen Deutschland kommt nicht im Entferntesten an ein solches Erlebnis heran.

Etmal: 104 sm (Gesamt: 714 sm)

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